Trasymedes
Trasymedes Thrasymedes Trasymedes Nestor Ajax der Telamonier
Menelaos Meges
Nestor Nestor
Meriones
Menelaos
Agamemnon
Ajax der Telamonier Ajax der Telamonier
Nestor Ajax der Lokrer
Ajax der Lokrer Ajax der Lokrer
  • Kurzer Einstieg zum Antikenstudium im Klassizismus


    Eines der großen akademischen Themen, die in der Kunst des 18. und folgenden 19. Jahrhunderts wichtig waren, war das Antikenstudium. Diesen Umstand erklärt – wenig überraschend – die Tatsache, dass die Kunst des Klassizismus in der Antike ihren zentralen Fixpunkt gefunden hat und, dass die intensive künstlerische Auseinandersetzung mit dieser Epoche somit zum wesentlichen Studieninhalt an den Kunstakademien wurde. Zum einen schlägt sich dieser Umstand in der Wahl der Themen, die gemalt und dargestellt wurden, nieder. Hervorzuheben ist hiermit vor allem die Konzentration auf die Werke Homers, der mit seinen Epen den Stoff für zahlreiche Darstellungen schuf, wie auch das Historiengemälde Wagners darlegt.

    Neben den inhaltlichen Aspekten wurden aber auch die antiken Bildwerke studiert, die noch erhalten waren.1 Es bildete sich ein regelrechter Kanon an Standardwerken, die an jeder Akademie, oder während der zahlreichen Romreisen studiert wurden. Diese Studien und Skizzen sind in vielen Fällen noch erhalten und geben somit Auskunft über besagten Skulpturenkanon. Diese Paradewerke reichen von der 1506 wiederentdeckten Laokoon-Gruppe, dem Herkules der Farnesesammlung, dem Belvederetorso und dem Borghese Gladiator, bis hin zu der Venus de’ Medici und dem Apoll von Blevedere. Die Skulpturen dienten dem Studium der Erfindung oder Idee, des Entwurfs, des Ausdrucks, der Komposition und der Proportion.2 Es handelt sich also um antikische Elemente, die das klassizistische Werk aufgreift und weiterentwickeln konnte.3 Wie präzise ein solches Studium werden konnte, wird in Diderots Enzyklopädie zum Thema Zeichnung („Dessin et Peinture“) deutlich. Hier wird unter anderem die Physiognomie des Gesichtes des Apoll von Belvedere genauestens analysiert, dargelegt und lehrbuchartig schematisiert. Es stellt sich an dieser Stelle die Frage der damaligen akademischen Organisation eines solchen Lehrbereiches. Wie schon erwähnt, handelt es sich bei den antiken Vorbildern um Raritäten, während die Akademien eine weitaus größere Zahl darstellten. Originale in Akademien konnten nur die Ausnahme darstellen. Um aber trotzdem direkten Zugang zu den Werken zu schaffen, arbeitet man vor allem mit Gipsabgüssen, also Kopien dieser antiken Skulpturen. Diese Kopien stellen eine Objektgruppe dar, die immens wichtig für das Studium an der damaligen Kunstakademie war.4 Auch die Wiener Kunstakademie besaß solche Gipsabgüsse, zu denen – im Rückschluss zum Thema – Martin von Wagner Zugang hatte.5

    AG



    1 Vgl. Schreiter 2014, S. 21.
    2 Vgl. Aymonino 2015, S. 45.
    3 Vgl. Schreiter 2014, S. 390.
    4 Vgl. ebd., S. 10f.
    5 Vgl. ebd., S. 46
  • Der Rat der Griechen – Wagners Monumentalwerk von 1807


    „Der Rat der Griechen“ (296 x 441 cm) von Martin von Wagner stellt eine Episode aus Homers Ilias, der Schilderung des bereits zehn Jahre währenden Trojanischen Krieges zwischen Troja und den Achaiern dar. Im X. Gesang des Epos senkt sich die Nacht über das vom trojanischen Helden Hektor dominierte und von Leichen übersäte Schlachtfeld. Die Sorge vor einem nächtlichen Angriff der Trojaner und damit die Notwendigkeit, die Kriegstaktik neu festzulegen, macht sich im Heerlager der Griechen breit. Während Odysseus und Diomedes auf Kundschaft gehen und Rhesos auf Seiten der Trojaner töten sowie dessen Pferde rauben, führt der weise Nestor, der Ratgeber Agamemnons, die Versammlung der griechischen Anführer und Helden. In einem Brief an Goethe (1804), dem ein Entwurf der Komposition beigelegt war, erläutert Wagner die dargestellte Szene wie folgt: „Die vorzüglichsten Helden Griechenlands vorstellend, die Agamemnon in der Nacht nah dem Tage, an welchem Hektor bis zu den Verschanzungen der Achäer vorgedrungen war, zur Versammlung berufen hatte, um sich in dieser bedrängten Lage mit ihnen zu beraten. Homers Ilias X. Gesang. Ulysses und Diomed, welche von der Versammlung ins trojanische Lager auf Kundschaft geschickt wurden, kehren mit ihrer Beute zurück. Die Helden, solche erwartend, sitzen noch beisammen, auf Rettung sinnend für das vereinte Heer der Achäer. Der erfahrene Nestor führt das Wort. [...] Zerstreute Tote, des vergangenen Tages Opfer, umgeben den Versammlungsort.“1

    Vor dem Hintergrund einer felsigen Mittelmehrküste, auf dem offenen Schlachtfeld präsentiert Wagner eine Gruppe von Griechen, die sich folgendermaßen zusammensetzt. Die linke, zum Teil verschattete Gruppe besteht aus dem auf einen Stein gestützten Menelaos, dem vor im sitzenden Agamemnon und dem ebenfalls stehenden Thrasymedes. Ihnen gegenüber sitzt, leicht erhöht auf einem Felsen der Greise Nestor, der die Rede, anschaulich unterstützt durch die Gestik seiner Hände, führt. Dazwischen lagern Idomeneus, kretischer König, und Meriones. Hinter Nestor mit Schild auf dem Rücken sitzt Meges, der von dem vor ihm auf einem Stein ruhenden Ajax der Telamonier größtenteils verdeckt wird. Unterhalb Nestors lagert auf nacktem Boden der gleichnamige Held Ajax der Lokrer.
    Die nahsichtige Anordnung der Figuren im Vordergrund legt den Schwerpunkt auf die Akteure der Versammlung und ihr Interagieren innerhalb der Gruppe. Obwohl nach Homer das Zusammentreffen in der Nacht ansetzt wurde, verlegt Wagner die Szene in die frühen Morgenstunden. Der bereits kurz bevorstehende Sonnenaufgang beleuchtet sowohl das Schlachtfeld mit den noch verstreuten Leichen des Vortags als auch die sich versammelten Helden. Diese sind bereits in ein taghelles Licht getaucht, welches ermöglicht, die muskulösen Körper der Helden, die seelische Verfassung jedes einzelnen sowie die Grundstimmung der Gemeinschaft genau wahrzunehmen. Im Gegensatz dazu zeigen Wagners frühe Entwürfe mit starken Hell-Dunkel Kontrasten der um ein Feuer arrangierten Gruppe und einer über ihr schwebenden Personifikation der Nacht einen noch verschiedenen Ansatz.2
    Nestor, der als einziger aktiv agiert, sind die übrigen antiken Helden lauschend gegenübergestellt. In vielen Gesichtern und Haltungen ist Niedergeschlagenheit und Ratlosigkeit zu lesen. Der Helden Tatendrang scheint durch eine geradezu bleierne Schwere gelähmt – Helme und Waffen sind wie Requisiten zur Seite gelegt. Die im Hintergrund herannahenden Ausgesandten Odysseus und Diomedes mit ihrer Beute und die Morgenröte des Himmels mögen aber schon die positive Wendung der Geschicke andeuten. Es ist jedoch gerade die Aktionslosigkeit in dieser Komposition, welche die Unentschlossenheit der Krieger markiert und den Fokus somit auf die Pose und das Wesen des Einzelnen legt.
    In vielen Einzelstudien hat Wagner versucht, möglichst verschiedene und einprägsame Charaktere zu schaffen. Aus heutiger Sicht verlieren viele der Figuren dadurch an Natürlichkeit und es entsteht der Anschein einer statisch und bühnenhaft konstruierten Komposition. Als Wiederspruch mag man insbesondere die Zurschaustellung gestählter, nackter Heldenkörpern, die sich nicht im Schlachtgetümmel hervortun, sondern in lethargische Ruhe verfallen, empfinden. Die große Plastizität der Figuren erweckt den Eindruck eines aus Stein gemeißelten Werkes. Gerade die Darstellung der beiden Ajax, mit ihren seitlichen Posen, den vollkommen nackten Körper von hellem Licht beleuchtet, erinnert an antike Reliefs.
    Die Darstellung einer eher lapidaren Szene aus der Ilias, die nicht eine Schlüsselszene des eigentlichen Kampfes schildert und die auch der Betrachter zu jener Zeit nicht ohne Hinweise entschlüsselt hätte, ist für die klassizistische Kunst des beginnenden 19. Jahrhunderts zunächst nicht ungewöhnlich. Getragen wird Auswahl und Darstellungsmodus des Gemäldes vor allem durch das Bestreben Wagners, einen hohen reinen und ernsten Stil in seinen Kompositionen umzusetzen. Hier fühlt er sich zunächst Heinrich Friedrich Füger, dem Direkter der Wiener Akademie und seinem Freund und Mitstreiter Eberhard von Wächter zum Dank verpflichtet3. Beginnt er noch während seiner Akademiezeit an den ersten Entwürfen zu arbeiten4, so prägten ihn bald die Vorstellungen der Weimarer Klassik mit ihrer Vorliebe für Homers Epen.5 Der Gewinn der Preisaufgabe 1803 bestätigt, dass er die Maxime Goethes, „die plastische Urform“ hinter Homers Dichtung herauszuarbeiten und damit eben eher eine nebensächliche Szene zu verbildlichen, verstand.6 Der Einfluss Goethes, der Wagner in den nächsten Jahre intensiv förderte, kann im Hinblick auf das Werkschaffen des Künstler kaum hoch genug eingeschätzt werden. Neben seiner Ausbildung bei Jacques-Louis David in Paris mag es aber vor allem die Begegnung mit der antiken Kunst in Rom gewesen sein, die seinem Werk 1806/07 die entscheidende Wende gab und eine neue plastische Qualität der Darstellung bei Wagner hervorbrachte. Nach Kummer setzt Wagner damit den hohen, erhabenen Stil in einer „neuartigen, hohen, auf einen Augenblick stillgestellten Konzentration“ um.7 Mit der Vertiefung seiner Szene als Darstellung der Ratlosigkeit, stellt er die „Krise der Helden“ in den Mittelpunkt, die zugleich als symptomatisch für seine eigene Zeit und die Entwicklung des Klassizismus in der Kunst erscheint.
    Ungeachtet dessen wird Wagner für sein monumentales Werk hohe Anerkennung zuteil.

    Friedrich Schelling (bis 1806 an der Würzburger Universität und danach an der Münchner Akademie der Bildenden Künste) bestätigt Wagner, mit diesem Gemälde Sinn für den Heldengeist griechischer Vorzeit bekundet zu haben.8 Seine Frau Caroline schreibt 1808: „Dergleichen kühne, dabei streng und bescheiden gehaltene Komposition hat unser Zeitalter eben noch nicht gesehen.“9

    DR



    1 Brief Wagner an Goethe, Rom, 21. September 1804.
    2 „Die Helden sind von dem ersten Schimmer des Tages beleuchtet, die Nacht, welche noch über den Häuptern schwebt und die Versammlung mit Finsternis deckt, weicht dem annähernden Gotte“, aus: Brief Wagner an Goethe, Rom, 21. September 1804.
    3 Wagners Brief an Goethe, 1803/4?, Abgedruckt bei: Nicolai 1921, Anhang.
    4 Während seiner Zeit an der Wiener Akademie (1798-1803) werden Wagners Fähigkeiten vor allem an den „ernsthaften Gegenständen der Geschichtemalerei“ geschult, vgl. Brief Heinrich Friedrich Füger an Peter Wagner, Wien 30. Juli 1801.
    5 Zerbst 2011, S. 259.
    6 Kummer 2007, S. 144; Brief Wagners an Goethe, Würzburg, 28. Juli 1806.
    7 Kummer 2007, S.144.
    8 Zerbst 2011, S. 259.
    9 Zitiert nach: Kummer 2007, S. 144–145.
  • Homers Ilias - Ein Überblick


    Homers „Ilias“ zählt heute nicht nur zu den ältesten vollständig erhaltenen Schriftwerken größeren Umfangs, sondern auch zu den bekanntesten Epen der Menschheitsgeschichte. Seit der Entstehung des Epos um 700 v. Chr. wurde dieser in der gesamten europäisch geprägten Welt kontinuierlich rezipiert und adaptiert - zeitweise sogar auch zu einem bedeutsamen Teil der kulturellen Entwicklung und Prägung.1

    Das Werk selbst gliedert sich in 24 Gesänge , beinhaltet insgesamt 15.693 Hexameter und galt für die antike griechische Welt lange als historisch-authentisch. Thematisiert wird in erster Linie der zehnjährige Krieg , genauer gesagt dessen Endphase, um die Stadt Troja. Innerhalb der Schilderung jenes Krieges geht es jedoch vornehmlich um die verschiedenen Auseinandersetzungen diverser mitwirkender Parteien - von Kriegern und Königen bis hin zu sympathisierenden Göttern. Zu Beginn der Handlung befinden sich die Figuren der „Ilias“ bereits im 9. Belagerungsjahr der Stadt und die griechischen Belagerer sind kurz davor sich zurückzuziehen. Erfolglosigkeit und Streitigkeiten in den eigenen Reihen haben die Moral geschwächt und Auseinandersetzungen zu Fragen der Ehre, Würde und Hierarchien stehen auf der Tagesordnung. Eine Auseinandersetzung zwischen den Heroen Agamemnon und Achilles entzweit das Lager schließlich soweit, dass sich letzterer mit seinen Männern aus dem Kampf zurückzieht. Erst der Tod seines Freundes Patroklos veranlasst ihn zur Rückkehr und zum Racheschwur gegen den trojanischen Prinzen Hektor - der Bund der Griechen bleibt allerdings nachhaltig geschwächt.

    Die Handlung der „Ilias“ endet schließlich mit einer 11-tägigen Waffenrufe anlässlich der trojanischen Totenklage für den im Kampf gefallenen Prinzen Hektor und einer moralischen Aussöhnung zwischen dessen Vater und dem griechischen Heros Achilles.2

    Für Martin von Wagner und seine Zeitgenossen lag der Fokus des Interesses in Bezug auf die „Ilias“ allerdings weniger auf dem Ausgang des eben geschilderten Geschehens, sondern auf den verschiedenen Charaktertypen der handelnden Personen. Bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts, der „europäischen Homer-Renaissance“3, galten die Helden der „Ilias“ aufgrund ihrer vernunftgeprägten Sitten als die moralischen Vorbilder der Fürstenerziehung. Aber auch das Bürgertum, ausgehend von der Zeit des Sturm und Drangs, versteht die Heroen als Sinnbild von „erhabenen, selbstbewussten Menschen“4 voller Energie und erstrebenswertem Tatendrang. Sie werden zu psychologisch analysierbaren Typen, die vielfältig darzustellen sind, zu was nicht nur der deutsche Archäologe Johann Joachim Winkelmann aufzurufen versucht, sondern unter anderem auch Goethe und die Weimarer Kunstfreunde, die 1799 zum ersten Mal ein Preisausschreiben initiieren, dessen Ziel die künstlerische Aufarbeitung einer Szene aus Homers „Ilias“ sein soll. An einem der folgenden Preisausschreiben zu ähnlicher Thematik wird schließlich auch Martin von Wagner beteiligt sein und sich der Ilias und letztlich auch dem Rat der Griechen vor Troja widmen.

    RD



    1 Vgl. Latacz, Joachim (Basel) and Pressler, Frank (Heidelberg), “Homeros”, in: Der Neue Pauly, Herausgegeben von: Hubert Cancik,, Helmuth Schneider (Antike), Manfred Landfester (Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte). Consulted online on 20 May 2016 First published online: 2006
    2 Vgl. ebd.
    3 Vgl. ebd., S. 118.
    4 Vgl. Kunze 1999, S. 7
    5 Vgl. ebd., S. 8